Mercedes Future Truck 2025: Fährt selbst
07.07.2014 13:56:58 | Cornelia Wahl

Grundlegendes zum Basisfahrzeug
Objekt der Begierde war die mit schwarz-weiß verwischender Tarnfolie beklebte seriennahe Studie Future Truck 2025, der als Basis des Mercedes Actros 1845 dient. Der Lastkraftwagen hat einen 330 kW (449 PS) starken Motor eingebaut, der bis zu 2200 Newtonmeter Drehmoment hat. Die Kraftübertragung übernimmt das serienmäßige vollautomatisierte Mercedes-Getriebe mit zwölf Gangstufen. Der Zugmaschine angehängt war der Aerodynamics Trailer, der vor zwei Jahren auf der IAA Nutzfahrzeuge seine Premiere feierte. Dank aerodynamischer Optimierungen soll er den Verbrauch des kompletten Sattelzugs um bis zu fünf Prozent senken können.

Um das autonome Fahren mit dem Highway-Piloten realisieren zu können, haben die Entwickler die bereits heute lieferbaren Assistenz- und Telematiksystem wie Abstandshalte-Assistent, Stop-and-Go-Assistent, Notbrems-Assistent, Spurhalteassistent sowie die dreidimensionalen Karten für den vorausschauenden Tempomaten und die Fleet-Board-Telematikprodukte hergenommen. Sie werden miteinander verknüpft und ergänzt. Die benötigten Kameras und Radarsensoren werden weiterentwickelt und verbunden. Dazu kommt die Möglichkeit, mit der Umgebung zu kommunizieren.
Das Equipment fürs autonome Fahren
Im unteren Bereich der Frontpartie scannt ein Radarsensor den Fern- und Nahbereich nach vorne. Erfasst werden eine Reichweite von 250 Metern und ein Öffnungswinkel von 18 Grad. Der Nahbereichssensor hat eine Reichweite von 70 Metern und einen Winkel von 130 Grad. Dazu gibt es eine Stereokamera, die oberhalb der Brüstung hinter der Frontscheibe sitzt. Ihre Reichweite liegt bei 100 Metern. Horizontal deckt sie einen Bereich von 45 Grad und vertikal von 27 Grad ab. Die Stereokamera erkennt ein- und zweispurige Fahrbahnen, Fußgänger, bewegliche und unbewegliche Gegenstände, alle Objekte innerhalb des überwachten Bereiches und die Fahrbahnbeschaffenheit. Darüber hinaus erkennt sie alles, was sich vom Hintergrund abhebt und ermittelt den Freiraum. Zudem nimmt sie Informationen von Verkehrsschildern auf und sie erkennt die Spur, war wesentlich für die autonome Spurführung ist. Für das Überwachen der Fahrbahn links und rechts der Fahrbahn sind seitlich an der Zugmaschine auf beiden Seiten vor der Hinterachse Radarsensoren angebracht. Ihre Reichweite: 60 Meter, der Winkel, den sie abdecken: 170 Grad. Durch die Vernetzung der Sensoren kommender Generation entsteht ein komplettes Bild der Umgebung. Die Technik ist vom Stand bis zur für Lkw erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h aktiv. Sie sorgt dafür, dass der Lkw durch Lenkeingriffe vollautomatisch sicher in der Mitte seiner Fahrspur fährt. Dazu ist eine digitale dreidimensionale Karte hinterlegt. So ist der Lkw über Streckenverlauf und Topografie im Bilde.

Als Ergänzung dient die Vernetzung mit der Umgebung. Fahrzeuge, die in Zukunft so ausgerüstet sind, können Informationen abgeben, wie etwa ihre Position, ihren Fahrzeugtyp, ihre Abmessungen, die Fahrtrichtung, die Geschwindigkeit, mögliche Beschleunigungs- und Bremsmanöver und die gefahrene Kurvenkrümmung. Wie oft die Informationen vermittelt werden, hängt von der gefahrenen Geschwindigkeit und der Intensität der Bewegungsänderungen ab. Dies kann zwischen einer Nachricht pro Sekunde bei ruhiger Fahrt bis zum zehnfachen Intervall bei deutlichen Änderungen liegen. Die Datenübermittlung erfolgt über WLAN mit der europaweit einheitliche Frequenz G5. Jede Nachricht ist zertifiziert. Ihr Versand soll auch bei ungünstiger Witterung funktionieren. Die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen ist ebenso standardisiert. Die Reichweite der übermittelten Daten beträgt etwa 500 Meter im Umkreis, was vorausschauendes Fahren ermöglicht. So kann der Highway-Pilot frühzeitig auf ein Stauende oder auf das Einfädeln von Fahrzeugen auf die Autobahn reagieren. Darüber hinaus kann das Fahrzeug die Nachrichten etwa an Verkehrsleitstationen geschickt werden. Sie können darauf flexibel reagieren und beispielsweise Geschwindigkeitsbeschränkungen anpassen, oder über tagesaktuelle Baustellen informieren.
Grenzen des Highway-Piloten
Soweit zur technischen Einrichtung. Wie sieht das Fahren mit dem Highway-Piloten aus. Nach dem Einfahren in die Autobahn und dem Erreichen der vorgegebenen Richtgeschwindigkeit von Tempo 80 bietet das System dem Fahrer den Highway-Piloten an. Der Fahrer kann dann das System aktivieren, der Lkw wechselt anschließend in den autonomen Modus. Der Fahrer bekommt als Bestätigung die Info "Highway Pilot aktiv". Nähert sich der Lkw einem vorausfahrenden Fahrzeug, kann er sich automatisch an dessen Tempo anpassen und den vorgegebenen Sicherheitsabstand einhalten. Während der Highway-Pilot aktiv ist, kann der Fahrer den Fahrersitz um 45 Grad nach rechts oder in eine Ruheposition schwenken. Der Innenraum bietet ihm die Möglichkeit zu arbeiten oder zu kommunizieren. So kann er neue Transportaufträge annehmen, sich einen Rastplatz aussuchen und einen Parkplatz und sich seine Mahlzeiten reservieren. Der Fahrer ist jederzeit in der Lage, manuell die Verantwortung über sein Gefährt zu übernehmen. Hierfür sind zwei Kameras und ein Sensor montiert, die den Fahrerplatz und den Sitz überwachen. Derzeit ist es nicht möglich, mit dem Highway-Piloten zu überholen, die Autobahn zu verlassen oder an Verzweigungen die Fahrbahn zu wechseln. Vor der Deaktivierung des Highway-Piloten wird der Fahrer optisch und in der Folge akustisch gewarnt. Der Fahrer bleibt Herr des Geschehens.

Ziele des autonomen Fahrens für Lkw ist eine effizientere und sicherere Fortbewegung. Außerdem lässt sich der Kohlendioxidverbrauch reduzieren. Ebenso wird eine Änderung des Berufsbildes Lkw-Fahrer prognostiziert. Der Fahrer fährt in einigen Jahren nicht mehr nur von A nach B, sondern kann während der Fahrt administrative Aufgaben übernehmen - etwa Rechnungen schreiben, die Aufgaben der Disposition übernehmen, Aufträge annehmen und verwalten - eine Art Manager-Funktion also. Aber er kann auch mehr Zeit für die Familie haben, weil die Möglichkeit der Kommunikation besteht, während der Lkw autonom über die Autobahn fährt. Für Unternehmen kann dies eine Kostenreduzierung bedeuten. Auch viele schwere Unfälle können so vermieden werden. Ganz abgesehen von den vielen hunderttausenden Kilometer Stau und den über 200.000 Stunden, die jährlich im Stau verbracht werden.
Fragen, die geklärt werden müssen
Doch bis der Mercedes Future Truck 2025 in Serien gehen kann, dauert es noch etwa ein Jahrzehnt. Auch wenn die Technik bereits weit fortgeschritten ist und die Wiener Konvention jüngst so abgeändert wurde, dass autonomes Fahren möglich wird, gilt es noch, viele Fragen zu klären. Da ist beispielsweise der Datenschutz zu nennen. Während der Fahrten werden zahlreiche Daten erhoben und ausgetauscht, die müssen gegen Missbrauch auch von außen geschützt werden. Es sind Fragen zu klären, wie etwa „Wem gehören die Daten?“, „Was passiert mit ihnen, wie lange dürfen sie gespeichert werden?“. Denn mit den Daten könnte ein Bewegungsprofil erstellt werden. Aber auch Fragen, die die Zulassung betreffen und solche, die mit den Versicherungen geklärt werden müssen. Und: Wer haftet bei einem Unfall oder bei Verkehrsverstößen? Wie sieht es mit der Produkthaftung aus? Aber auch Berufsbilder und Arbeitsmodelle müssen überdacht werden genauso wie die Regelung für Lenk- und Ruhezeiten.
Bilder: Daimler