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„Murals of Tibet“: Gemalte Geschichten vom Dach der Welt

30.10.2018 17:00:44 | Cornelia Wahl

Eine fliegende Pfanne, am Steuerknüppel eine Dakini, ihre Passagiere Menschen, die anderen zuvor viel Leid angetan haben. Sie wurden auf eine Reise gelockt, an deren Ende sie die Früchte ihres Tuns ernten werden. Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt und eine Geschichte, die erzählt wird von hunderten an die Wand gemalten Kunstschätzen in den noch erhaltenen Klöstern und Tempeln Tibets – eingefangen von der Kamera des amerikanischen Fotografen Thomas C. Laird und abgebildet auf 498 Seiten.

Zehn Jahre Arbeit auf 498 Seiten

Seit der Annexion Tibets durch China vor mehr als 60 Jahren wurden 6000 Klöster und Tempel zerstört und mit ihnen unwiederbringlich zahlreiche Elemente buddhistischer Kultur und tibetischer Tradition. Dem Amerikaner Laird ist es in zehnjähriger Arbeit gelungen, in einigen noch erhaltenen Klöstern und Tempeln teils noch nie gesehene und vom Zerfall bedrohte Wandmalereien so der Nachwelt zu erhalten. Mittels digitaler Mehrbildfotografie lichtete er in schlecht zugänglichen Gängen und bei oftmals bescheidenen Lichtverhältnissen mehrere Meter hohe und mehrere Meter breite, Jahrhunderte alte Wandgemälde plan und ohne Verzerrungen ab.

Ein bisschen ein Wimmelbilderbuch

Der Inhalt des Buches, das im Taschen Verlag erschienen ist, lässt sich nur schwer mit Worten beschreiben, denn so groß ist das Staunen, mit welcher Qualität und Authentizität Thomas Laird die Fotos uralter Gemälde gelungen sind, die beispielsweise aus den Klöstern Drathang, Jokhang, dem Lukhang-Tempel oder aus der Osthalle des Potala-Palasts stammen. Viele Malereien aus verschiedenen Zeitepochen und beeinflusst von unterschiedlichen Stilen erscheinen in voller Farbenpracht und in großem Detailreichtum. Anderen wiederum ist anzusehen, wie ihnen die Zeit zusetzt. Ein bisschen hat das blätterbare Kunstwerk etwas von einem Wimmelbilderbuch. Denn auf vielen der Malereien wimmelt es nur so von Menschen, Tieren, Gegenständen und Details aus dem Leben Tibets: Mal sind Buddhas in verschiedenen Seins-Zuständen zu sehen, mal friedvolle oder zornvolle Gottheiten, Posen des Tantra oder Yogis beim Meditieren. Und jedes Bild, jede Szene weiß eine Geschichte dieser für uns geheimnisvollen Kultur zu erzählen. 

Buchpapier in Archivqualität

Damit das Buch selbst nicht vom Verfall bedroht ist und vielen kommenden Generationen erhalten bleibt, ist es auf einem besonders haltbaren Papier mit Archivqualität gedruckt. Jedes Bild ist schwarz umrahmt, so dass ein Ausbleichen oder Vergilben nicht möglich ist. Golddruck ist dort zu sehen, wo auch im Original Blattgold verwendet wurde. Die Bilder beider Bücher sind mit UV-Lack geschützt. Der Buchdeckel ist aus sibirischem Birkenholz und zeigt einen weiblichen Buddha, Tara genannt. Die Lesebänder aus Seide tragen die Farben der fünf Buddha-Familien: Weiß, Blau, Gelb, Rot und Grün.

„Murals of Tibet“ - vom Dalai Lama eigenhändig signiert

Wer einmal die Gelegenheit hatte, wie es jüngst im Tibethaus Deutschland in Frankfurt bei der letzten Präsentation des Buches möglich war, einen Blick in dieses großformatige Buch zu werfen, wird es schade finden, dies nicht immer wieder tun zu dürfen. Denn so einfach ist das nicht. Insgesamt gibt es nur 998 Exemplare des 50 x 70 Zentimeter großen, 23 Kilogramm schweren  und 10.000 Euro teuren Werkes. Jedes von ihnen hat der 14. Dalai Lama persönlich signiert. Ausgeliefert wird es mit einem extra aus Papierröhren und Holz gestalteten Buchständer des preisgekrönten Architekten Shigeru Ban. Obendrein finden sich in einem englischsprachigen Begleitband auf 528 Seiten neben Erläuterungen und Bildunterschriften zu jedem Foto aus dem großen Bildband auch weitere Abbildungen.

Ein Stück Heimat zurückgeben

Und so ist es verständlich, dass der Tibeter Puntsok Tsering Duechung, der auch Vorstand des Tibethaus Deutschland ist, sich wünscht, eines der Exemplare über Spenden finanziert für die Kultureinrichtung erwerben zu können. Nicht nur, um ihm und seinen im Exil lebenden Landsleuten ein Stück Heimat zurückzugeben, die Erinnerung an die Jahrtausende alte buddhistische Kultur und Tradition seines Heimatlandes für kommende Generationen wachzuhalten. Sondern um in besonderem Maße das gegenseitige Verständnis und den Respekt durch Dialog und Austausch zwischen unterschiedlichen Kulturen in einer warmherzigen Umgebung allen Menschen zugänglich zu machen und zu fördern – ganz im Sinne des Schirmherrn des Tibethaus Deutschland, dem 14. Dalai Lama.

Bilder: © @uto-motor-info